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(c) AGZ e.V. 2001-2009 DL: HamRadio 2day 321-2009
14. Juni 2009
Redakteur:
Ralph, DC5JQ
Autoren:
Joerg, DG1JC
Ralph, DC5JQ
VORBEMERKUNG:
DATENSCHUTZ IM AMATEURFUNK UND SPEZIELL BEI D-STAR
(rps) Bevor wir in dieses Thema - wie letztes Mal bereits
angekuendigt - einsteigen, muessen wir mit einem in
Amateurfunkkreisen weit verbreiteten Vorurteil aufraeumen:
Amateurfunk ist zwar grundsaetzlich oeffentlich, aber dieser
Grundsatz greift nicht beliebig tief. Die im
Telekommunikationsgesetz festgeschriebene Tatsache, dass
Jedermann Amateurfunk abhoeren darf, heisst eben nur genau
selbiges: Man darf zuhoeren, und zunaechst einmal kein bischen
mehr. Ob man das im Amateurfunk Gehoerte aufzeichnen darf, ob
man dies an anderer Stelle erneut senden darf, ob man die
Aufzeichnung an andere Personen weitergeben darf, all das wird
vom Telekommunikations- und vom Amateurfunkgesetz mit keinem
Wort erwaehnt - und damit greifen andere Gesetze und
Vorschriften: etwa das Urheberrecht, der Datenschutz, das
Persoenlichkeitsrecht und vieles mehr. Amateurfunk ist zwar
oeffentlich, wird aber rein privat ausgeuebt.
Wie sehen wir das? In Sicht der AGZ darf man
Amateurfunksendungen durchaus aufzeichnen, allerdings nur zum
rein persoenlichen Gebrauch. Ohne Zustimmung der betroffenen
Funkamateure darf man die Aufzeichnung aber weder erneut
aussenden, noch zum Beispiel in das Internet stellen oder an
Dritte in grossem Stil weitergeben. Diese Situation ist
uebrigens identisch mit derjenigen, die das Aufzeichnen von
ebenfalls oeffentlich zugaenglichen Rundfunk- und
Fernsehsendungen beschreibt. Auch hier darf man privat fast
alles und sonst fast nichts.
Fuer viele Funkamateure ist es nur sehr schwer zu verstehen,
dass in AGZ-Sicht die gleiche rechtliche Systematik auch fuer
das Aufzeichnen und Mitteilen der Eckdaten eines QSOs gilt -
also fuer das gute alte Logbuchfuehren etwa von Anfangs- und
Endzeiten, Gespraechspartnern, Sendearten und Frequenzen. Auch
das sind streng genommen personenbezogene Daten, die zwar
jeder auf den Baendern mitbekommen darf, die jedoch nur zu
eigenen Zwecken aufgezeichnet werden duerfen - genau wie zum
Beispiel eine Buchfuehrung darueber, wann Nachbar Mueller fuer
Jedermann oeffentlich sichtbar sein Haus verlaesst und wieder
heimkehrt. Etwas anderes ist es natuerlich, wenn der
Funkamateur der Aufzeichnung und ihrer wie auch immer
gearteten Verwertung zustimmt und ihr Ausmass vorher genau
kennt. Damit nun zum eigentlichen Thema, das von Joerg Delvos,
DG1JC, behandelt wird.
MEINUNGSVERSCHIEDENHEITEN IM D-STAR-NETZWERK
(jd) Die Redaktion von HamRadio 2day hat sich lange ueberlegt,
wie sie dieses Thema behandeln soll, ohne dabei der
Betriebsart Digital Voice - oder kurz DV - zu schaden, denn
diese Technik hat ein hohes Innovationspotenzial. Unsere
Zuhoerer und Leser haben auf der anderen Seite jedoch auch
einen Anspruch darauf, ueber das aktuelle Geschehen informiert
zu werden. Was ist passiert?
Damit man die D-Star-Relais weltweit ueber das Internet
vernetzen kann, ist ein so genannter Trustserver notwendig,
bei dem alle Informationen zusammen laufen. Ein solcher
Rechner wurde vor einiger Zeit von amerikanischen
Funkamateuren aufgebaut. Einige computertechnisch versierte
Relaisbetreiber bei uns in Deutschland haben sich diesen fuer
die weltweite Anbindung von D-Star-Relaisfunkstellen zwingend
notwendigen Linux-Rechner und seine Gatewaysoftware einmal
genauer angeschaut.
Eines vorweg: Die Firma ICOM stellt zwar die Gateway-Software
zur Verfuegung, also das Stueck Software, das notwendig ist,
um sich in das weltweite Netzwerk einzuwaehlen, sie hat jedoch
nichts mit den Vorgaengen zu tun, die wir nun beschreiben, und
sie stellt auch nicht die zusaetzlichen Skripte zur
Verfuegung, um die es gleich geht.
Bei der genaueren Betrachtung und Protokollierung der
Vorgaenge auf dem Gatewaycomputer ist den Relaisbetreibern nun
folgendes aufgefallen: Alle Aktionen der D-Star-
Relaisbenutzer, wie zum Beispiel das Betaetigen der
Sendetaste, die Dauer einer Aussendung, sogar der Audiostream
selbst, die Positionsdaten und die Verbindungsdaten werden
zunaechst lokal auf dem Gatewayrechner gespeichert. Danach
werden einige Daten auf einen Server in den Vereinigten
Staaten uebertragen und dort dauerhaft gespeichert: konkret
jedes Betaetigen der Sendetaste und wer wann wo mit wem
gesprochen hat. Wenn man so will, ist dies quasi eine Art von
Vorratsdatenspeicherung in den USA fuer die D-Star-Nutzer
weltweit. Nachts werden dann die gesammelten Daten der
Audiostreams zu groesseren Bloecken zusammengefasst und
ebenfalls auf den US-Server hochgeladen.
Verantwortlich dafuer sind so genannte Zusatzskripte, die vom
US-Trustserverteam entwickelt worden sind und die nichts mit
der Funktionalitaet des eigentlichen Trustservers zu tun
haben. Wenn aber ein Gatewaybetreiber, also zum Beispiel ein
Betreiber eines deutschen D-Star-Relais, diese Skripte nicht
installiert, dann wird er fuer den Trustserver nicht
freigeschaltet und seine Nutzer koennen nur lokal arbeiten.
Exakt so ist es bereits einigen Relaisbetreibern in
Deutschland ergangen. Zudem werden Selbstbaurelais wie DB0NQ,
die keinen Linux-Kern haben und die somit keine Skripte laufen
lassen koennen, komplett aussen vor gelassen.
Nachdem Proteste gegen diese Vorgehensweise laut wurden, hat
man leise, still und heimlich in der Nacht auf den 10. April
ein Skript auf die Gatewayrechner gespielt, das zumindest das
Hochladen des Audiostreams stoppt. Das US-Trustserverteam hat
hier im uebrigen erneut bewiesen, dass es jederzeit und ohne
das Wissen der verantwortlichen Funkamateure vollen Zugriff
auf alle angeschlossenen Gatewayrechner weltweit hat. Im
Prinzip ist also dieses Team Herr ueber die Gatewaysysteme,
und nicht etwa der deutsche Betreiber, der aber pikanterweise
seinerseits gegenueber der Bundesnetzagentur verantwortlich
zeichnet.
In Deutschland, Amerika und einigen anderen Laendern gibt es
nun Relaisbetreiber, die mit dem vorhandenen amerikanischen
Trustserver und dessen Datensammelwut nicht einverstanden
sind. Auf deren Initiative wurde eine alternative Loesung
erarbeitet, der sogenannte XTRUST. Dabei wurde darauf
geachtet, dass sich der XTRUST-Server mit dem amerikanischen
Trust replizieren laesst, um ein gemeinsames Netz erhalten zu
koennen und um nicht in zwei Inselnetze zu zerfallen. Man kann
also von D-Star-Repeatern, die auf den XTRUST geschaltet sind,
auf Repeater zugreifen, die auf den US-Trust geschaltet sind
und umgekehrt.
Dieser europaeische XTRUST-Server hat nicht nur den Vorteil,
dass er kein Datensammler ist, sondern er aktualisiert auch
seine Clients viel schneller. Der US-Trust macht das nur alle
40 Minuten, der EU-XTRUST in wenigen Sekunden. Das heisst:
Wenn man etwa mit dem Auto durch das Ruhrgebiet faehrt, dann
kann man innerhalb von 30 Minuten drei D-Star Zonen
durchqueren. Da bei D-Star ein so genanntes Callsign-Routing
moeglich ist - man kann einen Gespraechspartner ansprechen,
ohne zu wissen, auf welchem Repeater er QRV ist - wuerde das
System einen immer noch auf Repeater Nummer eins sehen, obwohl
man schon lange auf Repeater Nummer drei QRV ist.
Zusammengefasst aktualisiert sich der europaeische XTRUST
umgehend und laeuft auch insgesamt stabiler, die Software ist
zudem Open Source, das heisst fuer jedermann frei verfuegbar,
auch hinsichtlich der Quellcodes. Somit kann jeder an der
weiteren Entwicklung mitarbeiten und vor allem auch
nachvollziehen, dass hier keine Datensammelei stattfindet.
Zur D-Star Gatewaynutzung hier schliesslich eine kleine
Statistik: Die folgenden Daten wurden aus der Datenbank eines
D-Star-Relais gewonnen, das an den US-Trustserver angeschaltet
ist; diese Daten sind also fuer jeden Gatewayadministrator
verfuegbar und nachvollziehbar.
Es gibt circa 11.689 beim US-Trustserver registrierte D-Star-
Nutzer weltweit. Nur 2.554 davon sind allerdings jemals aktiv
gewesen, davon wiederum 2.102 im Jahr 2009. Wiederum hiervon
kommen 807 aus Deutschland, das sind immerhin 38 Prozent. Nur
641 Funkamateure kommen dagegen aus den USA, das sind gerade
einmal 30 Prozent. Spitzenreiter bei uns sind DM0HMB in
Hamburg mit 185 Nutzern und DB0DDS in Dortmund mit 178: Das
sind zusammen 45 Prozent der deutschen D-Star-Nutzer, die sich
allein auf zwei Relais verteilen. Mehr noch: Diese beiden
Relais werden von Deutschlands groesstem Amateurfunkverein
DARC nicht als D-Star-Relais anerkannt und gelistet, da sie
mit so genannter "alternativer Software" betrieben werden. Die
Auskunft, dass D-Star-Relais mit dieser Begruendung vom DARC
nicht anerkannt werden, erhielt DL2HCK aus Hamburg, der
telefonisch bei diesem Verein angefragt hat, warum denn alle
diejenigen Repeater, die ueber den europaeischen XTRUST
laufen, nicht mehr in der D-Star-Relaisliste des DARC zu
finden sind.
KOMMENTAR
(rps) Abgesehen von moralischen und eventuell auch
sicherheitspolitischen Aspekten einer nicht erwuenschten
Datensammelwut stellt sich hier die Frage, ob ein D-Star-
Relais, das derartige Skriptsoftware benutzt, nach deutschem
Recht ueberhaupt so betrieben werden darf: Der Nutzer eines D-
Star-Relais wird naemlich mit keinem Wort vorher darauf
hingewiesen, was mit seinen personenbezogenen Daten geschieht
- wir erwaehnten den rechtlichen Hintergrund im ersten Beitrag
dieser Ausgabe.
Um nicht mit den Gesetzen in Konflikt zu geraten, muesste der
Relaisbetreiber dem OM oder der YL naemlich bereits vor der
Nutzung des Systems mitteilen, dass die Eckdaten seines
Sendebetriebs aufgezeichnet und weitergeleitet werden.
Sekunden spaeter bereits sind naemlich Zeiten und Rufzeichen
im Internet fuer Jedermann abrufbar, und sei es nur ein kurzes
Druecken der PTT. Von der Aufzeichnung und Weiterleitung des
gesprochenen Inhalts wollen wir lieber erst gar nicht reden.
Der D-Star-Sysop kann also durchaus datenschutzrechtlich
angreifbar sein und - schlimmer noch - abhaengig sein von
einer Software, die andere geschrieben haben, die ohne sein
Wissen auf die Maschine kommt und die er eventuell selber gar
nicht vollstaendig versteht. Das ist ein Grund mehr fuer eine
eigenstaendige europaeische Softwareentwicklung nach Open-
Source-Grundsaetzen, die jedermann einsehen und verifizieren
kann. Die Idee, die hinter XTRUST steckt, foerdert zudem den
amateurfunktypischen Gedanken zu experimentieren und selber zu
entwickeln. Viel Erfolg!
Ralph, DC5JQ
ZUM SCHLUSS DER AUSBLICK
(rps) auf die kommende Woche. Mit den Absichten der
niederlaendischen Regelierungsbehoerde, im oberen Teil des
Siebzigzentimeterbandes sicherheitsrelevante Differential GPS-
Systeme zuzulassen, ob das ueberhaupt zulaessig ist und was
das im internationalen Kontext fuer deutsche
Amateurfunkstellen im Grenzgebiet bedeutet, damit
beschaeftigen wir uns ausfuehrlich in der naechsten Ausgabe.
Vy 73,
Ralph, DC5JQ
Das war die heutige Folge von HamRadio 2day, die Sie in Packet-
Radio unter der Rubrik
AGZ
sowie auf unserer Internet-Website
www.agz-ev.de
nachlesen und auch in Digital Audio im MP3-Format hoeren
koennen. Wenn Sie moechten, koennen Sie auch Mitglied der AGZ
werden und unsere Arbeit so unterstuetzen. Den Aufnahmeantrag
finden Sie im Internet:
http://www.agz-ev.de/agzev/satzung/aufnahmeantrag.pdf
Machen Sie's gut. Bis zur naechsten Ausgabe.
--
Quelle: Arbeitsgemeinschaft Zukunft Amateurfunkdienst e.V.
* Mit freundlicher Genehmigung der AGZ ins CB Packet-Radio übernommen *
73 de Hans!
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